Pressegespräch
Unternehmer*in mit Behinderungen.
Von der Ausnahme zur Normalität.
Selbstständigkeit als Option für Menschen mit Behinderungen muss mit geeigneten Maßnahmen unterstützt und gefördert werden. Forderung nach fundiertem Zahlenmaterial über Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt.
(30.03.2023) Das Unternehmertum für Menschen mit Behinderungen wird in Österreich weder gefördert noch propagiert. Im Fokus steht eher eine Teilnahme am Arbeitsmarkt in einem Angestelltenverhältnis. Jedoch kann die Selbstständigkeit sehr wohl eine interessante Option sein für Menschen mit Behinderungen, die arbeitssuchend sind oder sich beruflich neu orientieren möchten. Diese Möglichkeit wird allerdings oftmals nicht aufgezeigt und es gibt auch viele Vorbehalte.
Vertreterinnen und Vertreter der AED Association of Entrepreneurs with Disabilities, des Österreichischen Behindertenrates, des ÖZIV Bundesverbandes, der MVG Monopolverwaltung GmbH sowie der Wienwork Gründungsberatung diskutierten heute die Situation von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt und präsentierten sowohl Forderungen als auch Maßnahmen für eine erfolgreiche Teilhabe und Integration.
Mag. Markus Raffer, Präsident der AED und Geschäftsführer Tec-Innovation GmbH, möchte erreichen, dass die Selbstständigkeit als Möglichkeit der Berufsausübung in Betracht gezogen wird: „Die AED wurde zur Förderung der Position von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt gegründet und legt ihren Fokus auf das Unternehmertum von Menschen mit Behinderungen. Wir informieren, schulen und begleiten bereits ab der beruflichen Orientierung inklusive der Option einer Selbstständigkeit sowie in der Phase der Unternehmensgründung und darüber hinaus. Unser Ziel ist es aber auch, Betroffene zu motivieren, bestehende Möglichkeiten zu nutzen. Um die Situation von Menschen mit Behinderungen in Österreich allgemein und speziell am Arbeitsmarkt sichtbar zu machen, fordern wir die Erhebung und Ausarbeitung von fundiertem, aussagekräftigem Zahlenmaterial.“
Prof. Erich Schmid, 3. Vizepräsident des Österreichischen Behindertenrates und Mitglied im Monitoring-Ausschuss, fordert verstärkte Maßnahmen zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt: „Das Unternehmertum und die Wirtschaft im Allgemeinen sind als Arbeitgeber und Steuerzahler ein wesentliches Element der Gesellschaft. Hier muss die Inklusion von Menschen mit Behinderungen als Unternehmerinnen und Unternehmer als selbstverständlich angesehen werden. Dem gegenüber steht eine überproportionale Zahl an Menschen mit Behinderungen ohne Erwerbstätigkeit, die teilweise sozial- und pensionsrechtlich sogar offensichtlich benachteiligt werden, insbesondere wenn sie in Werkstätten beschäftigt sind und Taschengeld beziehen.“
Mag. Gernot Reinthaler, Geschäftsführer ÖZIV - Bundesverband für Menschen mit Behinderungen: „Über lange Jahre waren Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt massiv benachteiligt. Aktuell entwickeln sich die Zahlen etwas hoffnungsvoller. Allerdings können wir noch nicht sicher sein, ob es sich dabei um einen Trend handelt oder um Ausgleichsbewegungen nach den Verwerfungen der letzten Krisenjahre. Die Situation präsentiert sich heute differenziert: einerseits gibt es die positiven Signale, andererseits verfestigt sich bei anderen die Langzeitarbeitslosigkeit. Während der Anteil der langzeitbeschäftigungslosen Menschen (über ein Jahr arbeitslos) in der Gruppe der Menschen ohne Behinderung oder gesundheitliche Vermittlungseinschränkungen bei rund 33% liegt, macht er in der Gruppe der Menschen mit Behinderungen oder gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen 60% aus. Auch Frauen mit Behinderungen waren und sind von negativen Arbeitsmarktsituationen immer ganz besonders stark bzw. deutlich überproportional betroffen! Deshalb ist es auch wichtig, unterschiedliche Zugänge zur Erwerbstätigkeit bereitzustellen und zu fördern. <
Als ÖZIV Bundesverband unterstützen wir deshalb – als Anbieter arbeitsmarkt-orientierter Unterstützungsangebote UND als Interessenvertretung – dass die Möglichkeit der Selbständigkeit und des Unternehmertums mehr in den Fokus rücken und als mögliche Erwerbsform für Menschen mit Behinderungen gesehen wird. Das bedeutet gleichberechtigte Teilhabe, Selbstbestimmung und Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention!“
Mag. Hannes Hofer, Geschäftsführer der MVG Monopolverwaltung GmbH, betont: „Die MVG begleitet durchschnittlich jeden fünften Tag einen Menschen mit Behinderungen dabei, ein Unternehmen zu gründen. Das Monopol macht es möglich, dass aktuell 1.228 Personen mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent Tabakfachgeschäfte leiten und dadurch ein selbstbestimmtes Leben führen können. Es ist an der Zeit, dass andere Branchen von diesem Best-Practice-Modell lernen und bei der Unternehmensnachfolge Menschen mit Behinderungen aktiv ansprechen.“
Mag. Rudolf Weissinger, Wienwork Gründungsberatung, sieht in der selbstständigen Tätigkeit eine interessante Option, an die bei der Berufsfindung oftmals nicht gedacht wird: „Mit dem Angebot ‚Selbstständigkeit als Chance‘ wollen wir Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit einer selbstständigen Erwerbstätigkeit näherbringen. Wir bieten den Raum, um eigene Ideen entwickeln und auf Umsetzbarkeit prüfen zu können, die erforderlichen Schritte zu definieren und die Konsequenzen kennenzulernen. Die Teilnehmer*innen erlernen grundlegende Fähigkeiten zur Planung und Durchführung einer Unternehmensgründung sowie die wichtigsten Bestandteile der Unternehmensführung. Mit diesem Wissen ausgestattet, können sie über ihre weitere berufliche Zukunft entscheiden.
Für Marion Lampée MBA MSc, Trafikantin in Wr. Neustadt und Vorstandsmitglied der AED, ist als ausgebildete Wirtschaftspädagogin der Schulungsbereich ein großes Anliegen: „Die Möglichkeit, sich als Mensch mit Behinderungen für die Gründung eines Unternehmens zu entscheiden, muss selbstverständlich gemacht werden. Dazu bedarf es sowohl zielgerichteter Förderungen als auch unterstützender Begleitung. Mit dem vorgestellten Schulungsprogramm, welches mit Mitteln aus dem Licht ins Dunkel‘-Jubiläumsfonds unterstützt wird, ist es uns möglich, ganz individuelle Beratungen in der Phase einer beruflichen Neuorientierung anzubieten. Das Ergebnis kann eine Unternehmensgründung sein, dies ist allerdings keine Voraussetzung. Den künftigen Jungunternehmerinnen und -unternehmern steht die AED weiter begleitend zur Seite.“
Foto (c) AED: v.l.n.r. Rudolf Weissinger, Gernot Reinthaler, Hannes Hofer, Marion Lampée,
Erich Schmid, Markus Raffer

> NEWS <
Alle Ausgaben von AED IM GESPRÄCH sind im Podcast nachzuhören:
#4 mit Thomas Haller
#3 mit Marianne Hengl
#2 mit Marion Lampée
#1 mit Erich Schmid
Die „Association of Entrepreneurs with Disabilities“ (Vereinigung der Unternehmer mit Behinderungen) ist die zentrale Anlaufstelle für das Unternehmertum von Menschen mit Behinderungen in Österreich.
Wir unterstützen Menschen mit Behinderungen dabei, Unternehmer*in zu werden und als Unternehmer*in zu reüssieren. Zu diesem Zweck
- fördern wir die Vernetzung von Unternehmer*innen mit Behinderungen untereinander und mit relevanten Stakeholdern, Expert*innen und Dienstleistern;
- beraten wir Menschen mit Behinderungen, die sich für eine Tätigkeit als Unternehmer*in in Österreich interessieren;
- unterstützen wir die positive Meinungsbildung zum Thema Unternehmertum von Menschen mit Behinderungen in der Öffentlichkeit und
- vertreten wir die Interessen von Unternehmer*innen mit Behinderungen gegenüber der Politik.
Die Tätigkeit der AED ist nicht auf Gewinn ausgerichtet. Der Verein verfolgt nach seinen Statuten ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke und ist daher ein gemeinnütziger Verein im Sinne der geltenden abgabenrechtlichen Bestimmungen.
Aktivitäten & Angebote
Bei allen Aktivitäten ist es uns ein Anliegen, die Vernetzung in ganz Österreich und darüber hinaus zu fördern. Deshalb wird versucht, alle Veranstaltungen auch online zugänglich zu machen. Derzeit in Planung sind:
- Regelmäßige Mitglieder-Stammtische: Austausch und Netzwerken für Mitglieder.
- Gründer-Treff für Interessierte: Anlaufstelle für Personen, die eine Unternehmensgründung erwägen und ihre Fragen an erfahrene Unternehmer*innen stellen können.
- Inspirierende Key-Notes von herausragenden Unternehmern: Die beste Möglichkeit, Inspiration und Motivation zu tanken.

AED-Mitglied werden
Warum Sie dabei sein sollten
Als Mensch mit Behinderungen profitieren Sie
- vom Know-how und den Erfahrungen erfolgreicher Unternehmer*innen aus dem Kreis unserer Mitglieder;
- von Veranstaltungen, die Sie persönlich voranbringen;
- von aktiver Kontaktpflege mit anderen Unternehmer*innen mit Behinderungen und hilfreichen Institutionen.
Als Unterstützer*in der AED tragen Sie dazu bei,
- das Thema Unternehmertum von Menschen mit Behinderungen in der Öffentlichkeit bekannter zu machen;
- die Interessen von Unternehmer*innen mit Behinderungen gegenüber der österreichischen und internationalen Politik erfolgreich zu vertreten;
- die Konventionen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen aktiv umzusetzen.
So werden Sie Mitglied
Wenn Sie Mitglied bei der AED werden wollen, schreiben Sie uns einfach an office@aed-austria.org!
Als Mitglieder sind bei uns herzlich willkommen:
- Menschen mit Behinderungen, die Unternehmer*in sind oder werden wollen;
- alle Personen und Institutionen, die Menschen mit Behinderungen beim Sprung ins Unternehmertum oder beim erfolgreichen Aufbau ihrer Unternehmen unterstützen wollen.
Wer wir sind
Die AED hat sich aus einem bestehenden Netzwerk aus Unternehmer*innen und Wirtschaftstreibenden mit und ohne Behinderungen gebildet, das sich aktiv für die Selbstverwirklichung von Menschen mit Behinderungen einsetzt. Dank den vielseitigen Unterstützungsmöglichkeiten ist es Menschen mit Behinderungen möglich, sämtliche Rollen in der Wirtschafts- und Arbeitswelt einzunehmen und hier gleichermaßen bestehen zu können wie Menschen ohne Behinderungen. Die Funktionäre und Mitglieder möchten Menschen mit Behinderungen das Unternehmertum als echte Option aufzeigen und sie bestmöglich dabei unterstützen, selbstbestimmt und erfolgreich tätig zu sein.
Der Vorstand
„Durch technische Hilfsmittel, die ich seit der Volksschule nütze, wurde mir bereits früh bewusst, dass mit dem richtigen Support auch scheinbar Unmögliches möglich wird.“
Mag. Markus Raffer ist geschäftsführender Gesellschafter der Tec-Innovation GmbH, einem Tech-Startup, das den InnoMake, den smarten Schuh zur Erkennung von Hindernissen für sehbeeinträchtigte und blinde Menschen entwickelt und als Medizinprodukt der Klasse I am europäischen Markt zugelassen hat. Daneben unterstützt er als CSR- und Inklusionsbeauftragter die MVG dabei, jeden sechsten Tag einen Menschen mit Behinderungen zum Unternehmer zu machen. Als Lektor am FH Technikum Wien gibt Markus Raffer Einblicke in ein Health-Tech-Unternehmen und das Medizinprodukterecht. Der studierte Jurist und Familienvater lebt in Kärnten, pendelt nach Wien und ist seit seiner Geburt hochgradig sehbehindert.
„Die AED ist nicht nur ein besonders spannendes Projekt, sondern auch ein notwendiges Netzwerk. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung ist die Selbstständigkeit ein gutes alternatives Modell. Als Geschäftsführer der VIDEBIS GmbH ist es mir ein besonderes Anliegen, mit meiner über zwanzigjährigen Erfahrung mein Know-how einzubringen und Menschen mit Behinderungen auf dem Weg zur Selbstständigkeit zu unterstützen.“
Dipl.Soz. Christian Zehetgruber ist geschäftsführender Gesellschafter der Videbis GmbH, dem Spezialisten für Hilfsmittel für sehbeeinträchtigte und blinde Menschen in Österreich. Weiters ist er als Lektor am FH Technikum Wien und in diversen Ausbildungen im Blinden- und Sehbehindertenbereich tätig. Nach dem Gymnasium in Melk zog es ihn nach Linz, wo er Technische Mathematik und Informatik zwei Jahre lang studierte, bis er dem Ruf der vormaligen TSB Transdanubia (heutige Videbis GmbH) folgte. Dort arbeitete er sich vom Praktikanten zum Geschäftsführer hoch und hält mittlerweile auch die Mehrheit der Unternehmensanteile. Der studierte Sozialarbeiter lebt in Wien Floridsdorf.
„Durch die AED sehe ich eine Möglichkeit, Menschen mit Behinderung Mut zuzusprechen, und dass man niemals aufgeben soll.“
Marion Lampée, MBA MSc ist Trafikantin in Wiener Neustadt.
„Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft sichtbarer zu machen, ist einer der Beweggründe für mein Engagement bei der AED. Und als erfolgreicher Unternehmer steht man im Rampenlicht, daher sollte es viele Menschen mit Behinderung als UnternehmerInnen geben.“
Assoz.Prof. PD. Mag. Dr. Elmar Fürst ist Vorstandsmitglied der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen mit Sitz in Wien. Mit mehr als 6500 Mitgliedern, 95 Vollzeitbeschäftigten und an die 300 Freiwilligen ist sie die führende privat finanzierte Organisation, die sehbehinderten Menschen in Österreich hilft. Er ist Assoziierter Professor am Institut für Transportwirtschaft und Logistik der Wirtschaftsuniversität Wien.
Fördernde Mitglieder


Kontakt
Association of Entrepreneurs with Disabilities – Austria
Am Belvedere 10/7.Stock /Top 11 | 1100 Wien
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